Die Windheizung 2.0 – mehr als nur ein laues Lüftchen: Winterstürme heizen hocheffiziente Gebäude

(Presseinformation 9. Mai 2019, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP)

Die Windenergie stellt mittlerweile in Deutschland den größten Anteil an der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien dar. Vor allem während der winterlichen Starkwindzeiten herrscht im deutschen Stromnetz jedoch häufig ein Überangebot, das dann zu sehr niedrigen bis negativen Preisen an der Strombörse führt. In manchen Regionen müssen Windkraftanlagen zur Sicherung der Netzstabilität in der Leistung reduziert oder zeitweise komplett abgeregelt werden. Daher hat das das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und mit Unterstützung weiterer Konsortialpartner die intelligente Nutzung von Überkapazitäten im Stromnetz zur Gebäude­beheizung zum Thema des Forschungsvorhabens »Windheizung 2.0: LZ-Speicher« gemacht. Im Rahmen dieses vom BMWi geförderten und vom Fraunhofer IBP koordinierten Projekts sollen nun tragfähige Konzepte dafür erarbeitet werden.

Gebäude in Deutschland bieten mit ihren großen thermischen Speicher­massen enorme Potentiale für die Wärme­speiche­rung. Da Windkraft im Strom­netz der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird und diese über­wie­gend im Winter in Form von Stark­wind­ereig­nissen über­schüssig vor­handen ist, fallen der Heiz­wärme­bedarf von Gebäu­den und die Verfüg­barkeit von Über­schuss­strom zeitlich sehr eng zusammen. Dadurch können die Wind­heizung 2.0-Gebäude der Zukunft durch die Erzeugung von Wärme aus er­neuer­barem elektri­schen Strom (Kopplung von Strom- und Wärme­sektor, Power-to-Heat) ihren Energie­bedarf umwelt- und system­verträg­lich decken und gleich­zeitig zur erfolg­reichen Umsetzung der Energie­wende beitragen.

Erste Ergebnisse aus Vor­unter­suchun­gen zeigen, dass Wind­heizung 2.0-Gebäude eine Reduktion des nicht-erneuerbaren Primär­energie­bedarfs im Bereich von 55 bis 85 Prozent erreichen können. Die Einsparungen beziehen sich hierbei auf ein Vergleichs­gebäude gemäß EnEV 2014 mit Referenz­techno­logie (Ölbrenn­wert, thermische Solar­anlage, Abluft­anlage) unter Bewertung der Betriebs­phase und Berück­sichti­gung des Mehr­auf­wands an Konstruktion für das Wind­heizung 2.0-Gebäude.

Forschungsansatz und Lösungsvarianten

Die System­dienlich­keit für den Ansatz zur Wind­heizung 2.0 besteht in der größt­mögli­chen Flexi­bilität des Gebäudes und seiner Heiz-/Speicher­systeme bezüglich der Strom­aufn­ahme aus dem öffent­lichen Netz. Damit kann der Strom­bezug grund­sätzlich sowohl markt­orien­tiert, heißt, angepasst an die Ver­fügbar­keit der Erneuer­baren Energien als auch netz­verträg­lich und so passend zu Kapa­zität und Auslastung von Übertra­gungs- und Verteil­netz, erfolgen.

Im Rahmen des Forschungs­vorhabens »Wind­heizung 2.0: LZ-Speicher« werden die Wissen­schaft­ler unterschied­liche Bauformen von Langzeit-Hoch­tempe­ratur-Steinspeichern (HTSS), Wasserspeichern und bauteilintegrierten Langzeitspeichern (BTA) entwickeln, welche eine Nutzung von Windstrom-Über­produk­tionen zur Gebäu­debe­heizung ermög­lichen. Hierzu muss die Speicher­größe dem Heiz­energie­bedarf des hoch­effi­zienten Gebäudes für ein bis zwei Wochen angepasst und entspre­chende Be- und Ent­lade­rege­lungen geschaffen werden. Zur Erar­beitung geeigne­ter Lösungs­strate­gien werden zunächst umfang­reiche Analysen mittels instatio­närer Gebäude­simulation (WUFI® Plus, Software zur Simulation hygro­thermi­scher Bedingun­gen in Bauteilen und des Raum­klimas) an ausgewählten Typ­gebäu­den und Speicher-/Anlagen­kombi­nationen durch­geführt. Anschließend erfolgen Messun­gen an ersten Proto­typen auf dem Frei­land­versuchs­gelände des Fraunhofer IBP in Holz­kirchen, unter anderem in den Zwillings­häusern (zwei absolut baugleiche Einfa­milien­häuser) zur Veri­fi­zierung der jeweili­gen Ansätze. Die zu ent­wickeln­den Lösungs­varianten orientieren sich hierbei an den Kriterien Wirtschaft­lichkeit, Windstrom­deckung, Nutzerkomfort und Umweltwirkungen – betrachtet über den ganzen Lebenszyklus. Zur Unterstützung des späteren Markteintritts des Systems Windheizung 2.0 werden Planungs- und Auslegungshilfen für Fachplaner bereitgestellt.

Insbesondere der fachthemenübergreifende Ansatz und die Beteiligung von Unternehmen aus den jeweils relevanten Branchen war für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) entscheidend für die Förderzusage des über drei Jahre mit 3,3 Millionen Euro dotierten Forschungsprojektes, das vom Projektträger Jülich betreut wird.

Das Konsortium

Neben Industriepartnern aus den Bereichen der Bauteilaktivierung und Speichertechnologien (CONCRETE Rudolph GmbH, Klimatop GmbH, Rath GmbH, Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.), der Heiz- und Regelungstechnik (Klöpper-Therm GmbH & Co. KG, tekmar Regelsysteme GmbH) sowie Netzbetreibern bzw. Energieversorgern (TenneT TSO GmbH, LEW Verteilnetz GmbH, Lechwerke AG) wird das Zentrum für Innovative Energiesysteme der Hochschule Düsseldorf (ZIES) das Forschungsprojekt im Bereich Wirtschaftlichkeitsanalysen und Netzsignale unterstützen. Ergänzend wird das Projekt durch den Freistaat Bayern, vertreten hier durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) fachlich und finanziell gefördert.


Mögliche Lösungen zur Umsetzung eines Windheizung 2.0-Gebäudes mit großem Warmwasserspeicher (A), Bauteilaktivierung (B) und zentralem Hochtemperatur-Steinspeicher (C). © Bayerisches Landesamt für Umwelt

Die Aufgaben des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP konzentrieren sich auf Forschung, Entwicklung, Prüfung, Demonstration und Beratung auf den Gebieten der Bauphysik. Dazu zählen z. B. der Schutz gegen Lärm und Schallschutzmaßnahmen in Gebäuden, die Optimierung der Akustik in Räumen, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und Optimierung der Lichttechnik, Fragen des Raumklimas, der Hygiene, des Gesundheitsschutzes und der Baustoffemissionen sowie die Aspekte des Wärme-, Feuchte- und Witterungsschutzes, der Bausubstanzerhaltung und der Denkmalpflege. Über eine ganzheitliche Bilanzierung werden Produkte, Prozesse und Dienstleistungen unter ökologischen, sozialen und technischen Gesichtspunkten analysiert, um damit die Nachhaltigkeit, die nachhaltige Optimierung und die Förderung von Innovationsprozessen zu bewerten. Die Forschungsfelder Umwelt, Hygiene und Sensorik sowie Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling komplettieren das bauphysikalische Leistungsspektrum des Instituts.

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Weitere Ansprechpartner
Herbert Sinnesbichler l Telefon +49 8024 643-241 l herbert.sinnesbichler@ibp.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Standort Holzkirchen l www.ibp.fraunhofer.de